Die Menge an Studien, Meinungen und Analysen über globale Trends im Bereich Cloud Computing ist mittlerweile unüberschaubar. Nur wenige Studien behandeln allerdings regionalwirtschaftliche und -politische Auswirkungen der Cloud. Für den Wiener Standort sind aber derartige Überlegungen von hohem Interesse. Der etwa 5.300 IKT Unternehmen zählende IKT-Sektor in Wien - der in Summe 6,5-mal mehr Bruttowertschöpfung erzielt als der Tourismus und mit den höchsten Einpersonenunternehmensanteil (EPU)-Anteil unter allen Branchen aufweist - besteht im hohen Maße aus IT-Dienstleistern, die von der Cloud als neuer Art der Dienstleistungserbringung betroffen sind.
Vor diesem Hintergrund wurde die Technopolis Group Austria seitens der Stadt Wien und des IT-Clusters Wien 2012 beauftragt, den Bereich „Cloud Computing“ in Wien genauer zu analysieren. Basierend auf Interviews, Dokumentenanalysen und einer Fokus- (Diskussions-)gruppe mit Cloud-Expert/innen zeigte sich, dass der Standort vor massiven Herausforderungen steht. Cloud-Computing bedroht das klassische Geschäft der Wiener IT-Dienstleister, nämlich Betrieb und Wartung von lokaler IT-Infrastruktur, die vor allem bei KMU zunehmend durch Clouddienste ersetzt wird.
Für IT-Dienstleister, die selbst Dienstleistungen durch die Cloud erbringen wollen oder erzwungenermaßen müssen, ist insbesondere der Umgang mit ökonomischen Skaleneffekten zentral. Clouddienste leben davon, dass eine hohe Anzahl an Kunden die Services nutzt. Dadurch steigt die Notwendigkeit für einen Dienstleister, mehr Kunden anzusprechen als bei der klassischen IT-Dienstleistungserbringung vor Ort. Die Umsätze steigen mit der Zahl der Abonnenten nur langsam, dafür stetig und mit langfristig höherem Potenzial. Die Notwendigkeit zu mehr Kunden bewirkt auch meist eine Ausdehnung des geographischen Wirkungsbereichs. Damit erhöht sich jedoch auch der Wettbewerb mit anderen nicht-lokalen Anbietern.
Als Pluspunkt kann gesehen werden, dass die technischen Eintrittsbarrieren sowohl auf Dienstleister- als auch auf Kundenseite geringer werden, da kaum in eigene IT-Infrastruktur investiert werden muss. Bedeutend ist die Fokussierung auf Geschäftsmodelle und Geschäftsmodellinnovationen: IT-Dienstleister brauchen ein klares Verständnis, welche Geschäftsprozesse cloud-tauglich sind. Dies erfordert ein erhöhtes wirtschaftliches Verständnis für betriebliche Abläufe auf Kundenseite.
Eine Abschätzung dessen, in welchem Umfang Wiener IT-Betriebe derzeit diese Herausforderungen durch die Cloud annehmen, ist schwierig. Es gibt etwa ein halbes Dutzend IaaS (Cloud ‚Infrastructure as a Service’-)Anbieter, die aktiv um andere IT-Dienstleister, die ihrerseits Services über die Cloud erbringen wollen, werben. Die IaaS Anbieter sind meist Ableger von großen Konzernen und befinden sich häufig in einem konzerninternen Standortwettbewerb. Generell konstatieren die Cloud-Expert/innen den Wiener IT-Dienstleistern eine hohe technische Kompetenz und Qualität, jedoch Schwächen bei der Kapitalausstattung und bei der Sichtbarkeit/Vermarktung im Ausland, speziell Richtung Deutschland. Deutschland dürfte der Sprache und Kultur wegen sowohl als Absatzmarkt, als auch als Standort möglicher zukünftiger Wettbewerber für die Clouddienstleistungserbringung in Österreich an Bedeutung gewinnen. Kritisiert wurde schließlich eine Fragmentierung des Cloudthemas in den Bereichen Unternehmensvernetzung und Ausbildung in Wien.
Über den Autor: Alfred Radauer ist Senior Consultant bei der Technopolis Group in Wien, einem internationalen Beratungsunternehmen, das sich mit innovations- und technologiepolitischen Fragestellungen auseinandersetzt. Er ist u.a. Hauptautor der Studien „IKT Standort Wien – Qualitative Analyse von neun Themenfeldern“ (2012) und „IKT Standort Wien im Vergleich“ (2007).
|